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Demokratie
 

Wahlen und Parteien

Von Klaus Buschendorf

Über Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit klagen alle Politiker und fragen öffentlich: warum? Ich glaube nicht, dass sie sich das wirklich selber fragen, sie wissen es ganz genau: Weil sie Lobbyarbeit betreiben und nicht ihr „Wahlvolk“ vertreten! Aber das kann man doch nicht zugeben! Doch – warum ist das so?

Als Wahlen mit dem aufkommenden Kapitalismus in das politische Leben ihren Einzug hielten, war das ein wichtiger Schritt zur Befreiung der Menschen von der Vorherrschaft ihrer Fürsten. Nur seinem Gewissen, nicht mehr dem Priester, dem Landesherren verpflichtet zu sein, das war dem Leibeigenschaft gewohnten Menschen eine Errungenschaft. Im Deutschen Kaiserreich konnten die Arbeiter mit jeder Wahl mehr Vertreter in den Reichstag entsenden. Kandidaten, die sich für sie einsetzten, erreichten immer mehr Stimmen. Dabei war in dieser ersten Zeit die SPD verboten! Heute undenkbar, wie war das möglich?

Kandidaten wurden gewählt, nicht Parteien! Es stand den Abgeordneten frei, sich Unterstützer für sich selbst zu suchen – es konnten auch Parteien sein, mussten es nicht! Die SPD konnte so ihr Verbot beseitigen – über ihre wachsende Zahl an Abgeordneten hatte sie dennoch im Reichstag Einfluss und konnte Reichskanzler Bismarck stützen. (Nicht nur sie allein, es kam auch anderes hinzu, doch soll uns das jetzt nicht ablenken.) Würde Ähnliches heute möglich sein? Natürlich nicht, heute wählen wir „Direktmandate“ und „Listenplätze“. Letztere gab es nirgends in den Anfangsjahren der Demokratie.

Gemeinschaftssinn und Eigensinn sind die beiden Eigenschaften, die jeder Mensch in sich trägt. Haben wir beide im rechten Maß in uns, sind wir bei unseren Mitmenschen beliebt, erreichen etwas in unserem persönlichen Leben und kaum einer neidet uns den Erfolg. Aber – das ist doch blankes „Gutmenschentum“, wenn einer so spricht, höre ich jetzt viele Leser in Gedanken sagen! Wo bleibt der „Wille zum Erfolg“, die „Selbstverwirklichung“, das Streben, der Beste zu sein?

Hier, genau hier, so meine ich, ist der Knackpunkt unserer Gesellschaft. Die Überbetonung des Einzelnen, des „Machers“, die zur Rücksichtslosigkeit führt, hat die ursprüngliche „Freiheit des Gewissens“ pervertiert. Gemeinschaftssinn – das ist das umgangssprachliche, fast vergessene Wort für Kooperation, die „Selbstverwirklichung“, „Freiheit des Individuums“ sind heute umgangssprachlich gewählte Synonyme für Konkurrenz. Und diese beiden Gegensätze, die ein „rechtes Maß“ im Zaume halten sollte, sind im Angesicht des heutigen Zeitgeistes, des „Mainstreams“ oder „in-Seins“, auf die Konkurrenz, den Egoismus reduziert. Mit schlimmen Folgen, nicht nur für die Nachbarschaft, sondern auch für „die große Politik“!

Denn heute „sponsern“ Unternehmen wie BMW und Volkswagen oder der Pharmaindustrie Parteien, damit sie ihnen genehme Gesetze mittels ihrer Abgeordneten „mehrheitsfähig“ durchsetzen. Und ist das „Sponsoring“, die „Parteispende“ nur groß genug, beruhigt sich das „Gewissen“ der „Volksvertreter“. Ist nicht gar das Amt des Bundeskanzlers zum Sprungbrett für den Einstieg als „Leistungsträger“ in einen der größten Weltkonzerne verkommen? Solche Vorbilder verderben ganze Menschengruppen.

Wie ist dieser Entwicklung zu begegnen? Die Abgeordneten müssen diesem Sog entzogen werden. Zum einen darf das „Hochdienen“ in der Parteihierarchie nicht belohnt werden können durch einen „Listenplatz“. Also – weg mit dem Verhältniswahlrecht, nur Kandidaten dürfen wählbar sein, nicht mehr Parteien! Verbot von Parteispenden – nur Mitglieder sollten ihre Partei finanzieren dürfen. Verbot von „Parteienproporz“ bei der Vergabe von Posten und Funktionen gleich welcher Art, nur die fachliche Eignung sollte entscheiden. Und als Letztes, doch eigentlich als Erstes nach der Wichtigkeit: Abgeordnete sind ihren Wählern verpflichtet, erhalten einen von ihren Wählern festgelegten Wählerauftrag und rechnen ihn am Ende der Wahlperiode vor ihrem Wahlkreis ab. Ein solches System müsste freilich erst geschaffen werden!

Das geht ja alles gar nicht? Natürlich, packt man solche Veränderungen nicht an, wird es sie nicht geben. Das Erste ist, darüber nachzudenken und sie zu fordern!

Ich bin überzeugt, dass „es geht“! Denn nicht immer wurden Gemeinschaftssinn, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft als „Gutmenschentum“ verspottet. Ganz normal empfand ich als Kind, dass meine Eltern verlangten, vor älteren Menschen in der Straßenbahn aufzustehen. Natürlich dürfe ich mir nichts gefallen lassen, will mir jemand Böses tun. Und es ist ehrenhaft, dem Bedrängten beizustehen, nicht feige wegzusehen. Gemeinschaftssinn, Pflichterfüllung – diese Worte müssen wieder in unsere Köpfe! Denken wir in ihrem Sinne, schaffen wir Umstände, dass ihn unsere Abgeordneten auch leben und ausüben können. Das wird beitragen, dass sich unser Leben von einem gehetzten, zu einem frei bestimmten Leben ändern kann!

 

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